DVD: Die Quereinsteigerinnen
Von Silvia Szymanski // 3. Januar 2013 // Tagged: Deutsches Kino, featured, Komödie // 1 Kommentar
Der Film wurde schon von vielen Kollegen zu Recht mit sehr schön geschriebenen Texten gelobt. Er ist allerdings ein Leistungs- und Wichtigkeitsverweigerer; man muss sich vielleicht entscheiden, ob man amüsiert oder konsterniert ist, dass sich die Handlung und Personen in ihm so harmlos klein und simpel machen. Aber viele finden ihn sexy, und ich auch. Die Dialoge sind so ausgesucht verpeilt, und die Leute wirken wie Teenager. Als wären sie unheimlich leicht zum Knutschen oder Scheißebauen rumzukriegen. Das sind sehr gute, schützenswerte Eigenschaften.
Die Freundinnen Katja (Claudia Basrawi) und Barbara (Nina Proll) und deren Freund Stefan (Mario Mentrup) haben den Chef der Telekom, Harald Winter (Rainer Knepperges), gekidnappt, um zu erzwingen, dass die alten, gelben Telefonzellen wieder aufgestellt werden. Sie halten Winter sehr laienhaft in einem kleinbürgerlichen Wochenendhaus im Wald gefangen. Es wäre kein Ding für ihn, zu fliehen, aber der Film müsste sich dann um Action bemühen, und wer will denn so was; da ist der Film wie Helge Schneider. Und Harald Winter müsste dann auch wieder auf die Arbeit und weg von Katja. „Ich hab mal eine ganze Nacht lang mit einem umgeknickten Ohr geschlafen. Das war wirklich schlimm am nächsten Morgen. Wirklich schmerzhaft“, artikuliert Katja ihre einfache Mitteilung so treuherzig und überbetont wie der Dalai Lama, und der Telekomchef würde sie am liebsten küssen. Ohnehin geben einem die Seventies-Sexfilmmusik und die entsprechend erschröcklich tümelige Einrichtung das Gefühl, gleich müssten sich hier alle ausziehen. (Ich bin ein bisschen traurig, dass das nicht geschieht.)
Winter ist so reizvoll unzulänglich um eine ernsthafte Haltung bemüht wie ein Lehrer, dessen Körper noch nicht mit dem Amt verwachsen ist – ein Sleazefaktor wie ihn auch John Cleese zu nutzen wusste. Demonstrativ sachlich übergeht er die Zumutungen seiner unprofessionellen Entführer. „Stefan, diese Angelegenheit, die manch einer Entführung nennen würde – ich würde es nicht so nennen, aber – diese Angelegenheit ist eine ernste Sache. Nicht für mich, für euch“: Das ist so lustig, diese verstockte Haltung. Und Stefan hat eine interessante, lauernde Laszivität, so eine bleiche Erbostheit, bevor wieder dieses arglose, unkalkulierte Lächeln auf sein Gesicht kommt… schwer zu beschreiben. Klaus Lemke hat übrigens auch einen coolen Gastauftritt.
Alle machen viele kleine, naive Sachen, die man bei Schauspielern und im Leben viel zu selten sieht oder beachtet. Ohne Furcht, banal zu sein, gehen sie miteinander um wie Ferienkinder; ihr Miteinander hat sehr die Atmosphäre einer Klassenfahrt. Warum ist das in Wirklichkeit so selten. Blöder Kapitalismus.
BRD 2005, Regie: Christian Mrasek, Rainer Knepperges
Hier ist ein gutes Interview mit Knepperges und Mentrup zu dem Film.
Hier ein guter Ausschnitt und ein Trailer.
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Die Quereinsteigerinnen
Ein Kommentar zu "DVD: Die Quereinsteigerinnen"
„Die Dialoge sind so ausgesucht verpeilt, und die Leute wirken wie Teenager. Als wären sie unheimlich leicht zum Knutschen oder Scheiße bauen rumzukriegen.“
– Schön treffender Satz!